Kommunikation mit „Blitzenden Waffen“

 Was macht gute Kommunikation aus? 

Keine Angst, ich empfehle hier keinen der unzähligen Ratgeber über Werbung, sondern ein philosophisches Buch: „Die blitzenden Waffen – Über die Macht der Form“. Der Autor ist Robert Pfaller, Professor für Philosophie in Wien.

Seine Kernthese lautet:

Um mit einer Rede zu überzeugen, reichen gute Argumente nicht aus. Es braucht eine überzeugende Form ihrer Darstellung.

„Rede“ lässt sich in dem Buch als Synonym für Kommunikation verstehen. Denn seine These überprüft er an den Themen wie Gespräch, Kunst, Mode oder städtischem Habitus. Und auch den Begriff „Form“ denkt er größer; sie umfasst die Inszenierung, die Rhetorik, den Witz, die Höflichkeit, das Gender-Sternchen, die tatsächliche Ausformung und mehr.

„Warum verfangen bestimmte Werbeslogans und andere nicht? Was lässt bestimmte Autos attraktiv erscheinen? … Was berührt uns an einem Kunstwerk? In welchen Worten muss ein Rat an unsere beste Freundin formuliert sein, um ihr aus einem Schlamassel helfen zu können?“

Seine Pointe: Form is function

Die Form überträgt nicht nur den Inhalt, sie ist selbst wesentlicher Bestandteil der Information. Oder noch radikaler: Ohne bestimmte Form entsteht gar nicht erst der Inhalt.

Ersteres zeigt er unter anderem am Film: „Manche mögen es heiß“. Billy Wilder selbst meinte, der Aufbau des Dialog-Witzes bestehe aus einer straight line und einer punch line. Die straight line baue den Kontext auf, die punch line berühre den Zuschauer und löse so die gewünschte Reaktion aus, in diesem Fall Lachen. Eine ähnliche Konstruktion beschreibt Roland Barthes in „Die helle Kammer. Bemerkungen zur Photografie“. Der französische Philosoph unterscheidet in dem Buch zwischen studium und punctum. Ein studium baut dauerhafte, durchschnittliche Affekte auf, das punctum dagegen „durchbricht diese blitzartig und sorgt für starke, momentane Leidenschaften“. Ohne das punctum komme es zu keinen Veränderungen in Wahrnehmung und Bewusstsein.

Die Macht der Form sieht Robert Pfaller auch bei Berthold Brecht, sicherlich kein Marktschreier, der meinte, Theater müsse die Lust am Erkennen erregen, den Spaß an der Veränderung der Wirklichkeit organisieren.

Dass die Form, die punch line, gar zu neuen Gedanken führen kann, zeigt er an einem Beispiel des Philosophen Slavoj Žižek. Dieser interpretiert anhand eines Witzes die Hegel‘sche Dialektik neu:

„Warum Rabinowitsch die Sowjetunion verlassen will? Nun, antwortet der Antragsteller auf dem Amt, er habe zwei Gründe. Erstens fürchte er, das System könnte eines Tages zusammenbrechen – und dann müssten sicher wieder die Juden als Sündenböcke herhalten… „Unsinn!“, unterbricht ihn da der Beamte. Die ruhmreiche Sowjetunion werde ewig bestehen. Und Rabinowitsch: „Sehen Sie, genau das wäre dann der zweite Grund.“

Der Witz verdeutliche, dass die Hegel‘sche Antithese bereits identisch ist mit der Synthese, nur aus einer anderen Perspektive betrachtet. Bumm!

 

Lustprämien anbieten

Warum ist Robert Pfallers Plädoyer für die Form so interessant für die Unternehmenskommunikation? Das Buch macht deutlich, dass

a) jeder, der etwas bewegen will, nicht nur auf Informationen setzen soll, und dass

b) jeder, der etwas bewegen will, nicht nur auf Emotionen setzen kann.

Beides muss Hand in Hand gehen, sich bereichern und beflügeln. Gute Kommunikation bedarf der richtigen Form und des Inhaltes. Kommunikation muss nicht nur erhellende Wahrheiten anbieten, sondern auch verlockende Möglichkeiten, „Lustprämien, die es ihnen (den Individuen) erlauben, liebgewordene Identifizierungen zu verlassen.“

Dabei kann die Form sehr unterschiedlich aussehen – eine höfliche Geste, ein Witz, eine überraschende Redewendung, eine dramatische Szenerie und, und, und. Mit seinem aufschlussreichen Spaziergang durch die Ideengeschichte der Form (von Quintilianus und Pyrrhon von Elis über Immanuel Kant bis zu Jacques-Marie Lacan und Roland Barthes) liefert er ein Fundament für Regeln guter Kommunikation. Ein unterhaltsames Lesevergnügen obendrein.